Hier ist der Moment gekommen, mit dem aus meiner Sicht größten Irrtum im Zusammenhang mit einer ketogenen Ernährung aufzuräumen. Bei sehr vielen Gelegenheiten wird behauptet, dass Menschen mit einer ketogenen Ernährung und insbesondere Diabetiker sich einem größeren Risiko für das Auftreten und den Schweregrad einer Ketoazidose aussetzen würden. Um es vorweg zu nehmen, dieses Risiko existiert nur theoretisch, hat aber praktisch keinerlei Relevanz.

Ketoazidose ist ein Doppelwort aus Ketose und Azidose (Übersäuerung) und verdeutlicht sehr gut, dass es sich um zwei Erscheinungen handelt, die gleichzeitig auftreten können, aber relativ wenig miteinander zu tun haben.
Die Ketose ist ein völlig normaler Zustand, der anzeigt, dass die Fettverbrennung auf Hochtouren läuft. Eine Azidose dagegen ist eine sehr schwerwiegende und lebensbedrohliche Erkrankung.

Dazu muss man wissen, dass der Säure-Basen-Haushalt des Menschen extrem robust ist und äußerliche wie innerliche Einflüsse sehr lange kompensieren kann. Der pH-Wert des Blutes bleibt trotz der Einflüsse lange stabil. Erst bei sehr krassen Einflüssen kommen die Pufferkapazität und die sehr leistungsstarken Kompensationsmechanismen des Säure-Basen-Haushaltes an ihre Grenzen. Durch die Nahrung wird es ein einigermaßer gesunder Mensch nicht schaffen, eine Entgleisung in eine Azidose zu provozieren.

Dagegen gibt es einige bekannte schwerstgradige Erkrankungen, die eine Azidose verursachen und von sich aus oder über die Azidose zum Tod führen können. Eine davon ist der komplette Insulinmangel, der unbehandelt immer das Todesurteil bedeutet.

Der komplette Ausfall der Insulinproduktion führt aber nicht nur zu einer Azidose und zu einer Ketose. Der vollständige Ausfall der Insulinversorgung führt zu derart zahlreichen und schwerwiegenden Veränderungen, die insgesamt nicht zu überleben sind. Unter anderem kommt es zu einer schwerwiegenden Azidose, die nur teilweise durch die Ketonkörper Azetoazetat und Betahydroxybuttersäure (beide sind schwache organsiche Säuren) verursacht wird (25 mmol/l und mehr). Beim Insulinentzug kommen aber noch weitere und deutlich stärkere Säuren ins Spiel, eine davon ist das Laktat. Diese Säuren führen hauptsächlich zur lebensbedrohenden Azidose.

Also zusammengefasst, eine Azidose ist immer Folge einer sehr schwerwiegenden Grunderkrankung, und der vollständige Insulinentzug ist eine solche. Die geringeren Mengen von Ketonkörpern, die im Rahmen einer ketogenen Ernährung aufteten, spielen im Rahmen einer Azidose praktisch keine Rolle und können eine Ketoazidose nicht verursachen oder relevant verstärken. An einer Azidose sind immer andere Ursachen entscheidend.

Anders herum gesagt, auch wenn ein Typ-1-Diabetiker seinen Blutzucker nicht ordentlich im Griff hat, aber immer noch ausreichende Mengen Insulin spritzt, ist er nicht von einer Ketoazidose bedroht. Erst wenn er überhaupt kein Insulin mehr spritzt, ein beschädigtes Insulin verwendet, seine Pumpe eine Fehlfunktion aufweist, seine Infusionsstelle vom Pumpenschlauch entzündet ist (und damit die Resorption des Insulins nicht mehr Staattfinden kann), dann hat er ein ernstes Problem. Er hat das Problem aber nicht, weil er sich vorher ketogen ernährt hat.